Missa in C-dur, KV 258 (Piccolomini-Messe, früher Spaur-Messe)

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1792)

Die Missa KV 258 ist wahrscheinlich um 1775/76 entstanden. Sie wird dem Typus der Missa brevis et solemnis zugeordnet, da außerhalb des Salzburger Kirchentrios (1. und 2. Violine und Bassgruppe) noch weitere Orchesterinstrumente (2 Trompeten und Pauken) mitwirken. Mozart ergänzte das Orchester durch zwei Oboen, deren Auflagenstimmen von seiner Hand geschrieben sind und bei der Primärabschrift liegen. Die Stimmen der beiden Oboen scheinen keinem Kopisten zugänglich gewesen zu sein, da eine Abschrift bisher nicht zutage gekommen ist. An die Mehrchörigkeit im Salzburger Dom erinnert die getrennte Aufstellung von Solo- und Chorensemble, zu denen je eine Orgel gehörte. Daher wurden die Auflagenstimmen der Solisten und der ersten Orgel, die den gesamten Notentext enthalten, mit concerto und die der Chorsänger sowie der zweiten Orgel mit ripieno bezeichnet. In der Stimme Organo concerto, die mit der für den Dirigenten bestimmten Battuta (von "battere", d.h. den Takt schlagen) identisch ist und ebenfalls die Generalbassbezifferung enthält, stehen Solovermerke nicht nur bei vokalen Partien, sondern auch bei instrumentalen Vor- und Zwischenspielen. Pausieren die Ripieno-Singstimmen, setzt auch die zweite Orgel aus. Typisch für das Werk ist ihre lyrisch-poetische Einfachheit, sie ist aber reicher als die Messen dieser Zeit an kontrapunktischer Arbeit und an anschaulichen tonmalerischen Episoden. So erscheint das im Unisono von Singstimmen und Instrumenten absteigende "Descendit de coelis", das von seufzenden Orchesterakzenten begleitete "Et incarnatus", das vom Leide des Menschwerdens spricht, das "Crucifixus", in dem die leise Klage der hohen Solostimmen von lauten, chromatisch aufsteigenden Schreckensrufen der Chorbässe kontrapunktiert wird, danach das "Resurrexit", im Unisono aufsteigend als Umkehrung des "Descendit" – wie ein Kurzbericht vom Erdenwandel des Heilands, der hier auf engstem Raum zusammengedrängt ist.

 

Bis vor kurzem wurde angenommen, bei dieser Messe handele es sich um jene, die zur Bischofsweihe des mit der Familie Mozart befreundeten Grafen Ignaz von Spaur (1724 – 1779) am 17.11.1776 aufgeführt wurde. So berichtet Leopold Mozart in einem Brief vom 28. Mai 1778 an seine in Mannheim weilende Frau und Sohn Wolfgang über die Bischofweihe des Erzbischofs von Ollmütz. Da keine neue Komposition in Auftrag gegeben worden sei, habe er folgende Werke aufgeführt:“Ich machte des Wolfg: Meße mit dem OrglSolo. Das kyrie aber aus der Spaur Messe.“ In der Musikwissenschaft wurde lange gerätselt, um welche Messe es sich dabei handeln könnte. Nach der zeitlichen Einordnung müsste sie um 1775/76 geschrieben worden sein, weshalb die Messen KV 257 (bisher Credo-Messe genannt), KV 258 oder KV 259 (Orgelsolo-Messe) in Betracht kamen. Die Messe mit dem Orgelsolo konnte es nicht sein und die erste hatte bereits einen Übernamen, weshalb sich lange Jahre die Vermutung durchsetzte, es müsse sich um die Messe KV 258 handeln.

 

Nun wurde 2007 im historischen Notenbestand der Dommusik in Brixen das historische Aufführungsmaterial für die Credo-Messe KV 257 gefunden. Sie enthält auch Eintragung von Mozarts Hand. Damit ist sie als die eigentliche Spaur-Messe identifiziert. Graf von Spaur wurde im Salzburger Dom zum Weihbischof und Koadjutor des Bistums Brixen geweiht. Er hat das Notenmaterial sicherlich zur Erinnerung an seine Weihe und vermutlich für eine Aufführung in Brixen mitgenommen. Durch seinen raschen Tod ist es dazu wahrscheinlich nicht mehr gekommen und die Messe wurde in Brixen vergessen.

 

Für unsere Messe KV 258 ist auch der Name Piccolomini-Messe überliefert. Der Ursprung für diese Bezeichnung ist aber völlig unbekannt. An der Jesuitenkirche wurde die Messe KV 258 schon oft und gerne aufgeführt. Und die Verwirrung um ihren Namen tut unserer Freude an diesem schönen Werk keinen Abbruch.

 

Quellen:

  • Hilgegard Herrmann-Schneider, „Rätsel der Internationalen Mozart-Forschung gelöst“, Presseinfo des Instituts für Tiroler Musikforschung Innsbruck, Juni 2007 www.musikkirche.it
  • Ludwig Schiedermair, Die Briefe W.A. Mozarts und seiner Familie Band IV, 5. Reihe, Nr. 180
  • Walter Senn, Vorwort zu Neue Mozart-Ausgabe , Band I 1.1.3 Messen, Kassel 1980 S. IV ff.

 

 

 

 

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